Sparen durch Dienstleister Teil 1

Haben Sie auch in den letzten Jahren Ihre Versicherungsverträge bei traditionellen Unternehmen gekündigt und sind zu reinen Onlinegesellschaften gewechselt, weil diese deutlich billiger anbieten? Schneiden Sie auch Ihren Garten in stundenlanger Arbeit jedes Jahr Zwei mal zurück? Wechseln Sie Ihre Autoreifen selbst und wechseln sogar das Öl?

Und gleichzeitig haben Sie keine Zeit?

Unfall mit Folgen

Radio Nederland Wereldomroep bei Flickr

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In den letzten Wochen ist mir eine üble Erfahrung nicht erspart geblieben, ich möchte davon erzählen – und von der Erkenntnis, die ich damit verbunden habe.

Anfang Oktober bin ich auf der Autobahn verunglückt. Fremdverursachter Totalschaden an meinem Fahrzeug, mir ging es körperlich glücklicherweise gut.

Aber mit dem Unfall fing das Theater an. Leihwagen organisieren, neuen Wagen besorgen, Fristen einhalten, Sachverständigen-Gutachten analysieren, eigene Versicherung informieren, fremde Versicherung abfragen und so weiter.

Meine eigene Versicherung wollte davon überhaupt nichts wissen. Abgesehen von unflätigen Bemerkungen wie „wir sind keine Bank“ (ich fragte nach einer nicht unüblichen Regelung, dass die eigene Vollkasko den Schaden in Vorkasse übernimmt), „wieso rufen Sie uns überhaupt an“ (als ich den Schaden an der versicherten Sache vertragsgemäß gemeldet habe) und anderen „Nettigkeiten“ war meine billige Onlineversicherung keine Hilfe.

Da aber sehr enge Fristen einzuhalten waren, musste ich viele Dinge klären:

  • Wer ist die andere Versicherung und hat der Schuldige den Schaden bereits gemeldet? Das ist wichtig für die schnelle Abwicklung meines Schadens.
  • Welche Unterlagen muss ich wohin schicken, damit alle beteiligten Unternehmen möglichst schnell handeln können?
  • Woher bekomme ich so schnell ein neues Auto?
  • Wie läuft das ab, wenn mein Wagen mit Totalschaden finanziert ist? Wie rechnet die Bank ab?
  • Was muss ich steuerlich beachten (Firmenwagen)?

Eigentlich wollte ich mich ein paar Tagen ausruhen, weil mich die Geschichte psychisch ziemlich mitgenommen hat. Dafür hatte ich aber keine Zeit, weil der Schaden innerhalb von ungefähr 14 Tagen geklärt sein musste. 14 Tage ist mehr als nur sportlich, um

  • Einen neuen (Neu-)Wagen zu bekommen.
  • Möglichst ohne finanzielle Verluste aus der bisherigen Finanzierung herauskommen (d.h. Restwert, Schadenssumme etc. pp. genau im Auge behalten).
  • Vorsorglich anwaltlichen Rat einholen, falls es doch nicht ganz so eindeutig sein sollte.
  • Fremde Versicherung nerven, damit die möglichst schnell bearbeiten und zahlen.
  • Schrotthaufen Restwagen möglichst lukrativ verkaufen.

All das musste ich komplett im Alleingang erledigen, weil ich Geizkragen beim Abschluss meiner Versicherung an allem gespart habe: Keine Makler, keinen direkten Kundenberater.

Und ich habe natürlich Lehrgeld bezahlt. Ich habe einen viel zu großen Leihwagen genommen (statt mir das Geld auszahlen zu lassen, im Haushalt gibt es einen zweiten Wagen), musste zwei ungeplante Tage Urlaub nehmen, um dutzende Telefonate zu führen und Schreiben aufzusetzen, und ich hatte 10 Tage nonstop eine große Stressbelastung. Ich habe ein halbes Notizbuch voll geschrieben, um ja nichts vergessen, was unter Umständen dazu führen könnte, dass die Fristen nicht eingehalten werden können und ich dann mit einem sehr großen finanziellen Schaden hätte rechnen müssen.

Meine Gier machte mich blind

MadEmoiselle Sugar bei Flickr

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Ich sehe die Schuld an dieser Stress-Situation, die mich sowohl viel Zeit als auch viel Geld (ich bin Selbständiger und verdiene im ungeplanten Urlaub kein Geld) gekostet hat, durchaus bei mir.

Die Telefonate mit der gegnerischen Versicherung (keine Onlinegesellschaft sondern sehr traditionell und nicht spottbillig) waren ausgesprochen erfreulich. Die gegnerische Versicherung hat mir mehr als einmal den richtigen Hinweis gegeben und sich wirklich umgehend und unbürokratisch um den Schaden gekümmert. Etwas, womit ich nicht gerechnet habe.

Mein Fehler liegt darin, dass ich am falschen Ende gespart habe. Nur mal ein Gedankenspiel: Wenn diese Gesellschaft mit demjenigen, der einen sehr hohen Schaden geltend macht, so hilfsbereit umgeht – wie wird man da wohl als eigener Kunde behandelt?

Alternativ/zusätzlich hätte ich auch mit einem seriösen Makler arbeiten können, dem ich dieses ganze Klären hätte übertragen können. Natürlich hätte ich einen Anwalt beauftragen können – aber dem hätte ich dann auch wieder auf Finger schauen müssen…

Der Punkt ist: Manchmal ist die Gier nach immer mehr einfach falsch. Hätte ich ungefähr 20% mehr Beitrag bezahlt, hätte ich womöglich von den 10 Tagen nur ein paar wenige Tage aufwenden müssen – und hätte mich meiner psychischen Genesung widmen können.

Paradoxe Lösungen suchen

USACE Europe District bei Flickr

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Es klingt merkwürdig. Aber manchmal ist der paradoxe Ansatz der sinnvolle.

Manchmal ist es sinnvoll statt möglichst weniger Dienstleister genau das Gegenteil zu wählen. Statt einer supergünstigen reinen Onlinegesellschaft wäre ich mit einem Makler und einer teureren Präsenzversicherung besser beraten gewesen.

Klar stellt sich jetzt die Frage, ob sagen wir mal 300 EUR im Jahr nicht eine so erhebliche Einsparung darstellt, dass sich zwei Tage Sonderurlaub und stundenlanges Herumtelefonieren und Kümmern lohnen würde.

Für mich komme ich ganz klar zu dem Schluss: Nie im Leben.

Nach dieser Geschichte habe ich einen Makler gesucht und gefunden und habe jetzt jemanden, dem ich beim nächsten Mal anrufe und das Spiel überlasse. Und ich zahle 30% mehr Beitrag für meine Kfz-Versicherung.

Ankündigung Teil 2

In dieser Woche habe ich ausführlicher über einen Fall gesprochen, um das Problem an sich deutlich zu machen. In der nächsten Woche nenne ich ein paar Beispiele, die Sie auf Ihre eigene Situation übertragen können.

4 Kommentare

  • > Alternativ/zusätzlich hätte ich auch mit einem seriösen Makler arbeiten können, dem ich dieses ganze
    > Klären hätte übertragen können. Natürlich hätte ich einen Anwalt beauftragen können – aber dem
    > hätte ich dann auch wieder auf Finger schauen müssen…

    Dem Makler hättest du auch auf die Finger schauen müssen, oder?

    > Klar stellt sich jetzt die Frage, ob sagen wir mal 300 EUR im Jahr nicht eine so erhebliche Einsparung
    > darstellt, dass sich zwei Tage Sonderurlaub und stundenlanges Herumtelefonieren und Kümmern
    > lohnen würde.

    > Für mich komme ich ganz klar zu dem Schluss: Nie im Leben

    Wie kalkulierst du das? Wieviele Unfälle pro Jahr erwartest du?

    • Natürlich müssten auch die Empfehlungen eines Maklers hinterfragt werden. Aber dann habe ich es (im Idealfall) nur mit einem Ansprechpartner zu tun, den ich auch schon länger kenne und gut einschätzen kann.

      Ich betrachte den Ärger und die Kraft (und das Geld), die ich in etwas investiere (nicht konkret/pauschal bezifferbar). Wenn das ein für mich ungesund hohes Niveau erreicht, ist meine „Ich muss was tun“-Schwelle erreicht und ich denke darüber nach wo und wie ich in Zukunft einsparen kann.
      In diesem konkreten Fall war die Schwelle in wenigen Tagen erreicht und ich habe für mich entschieden, dass es mir in Zukunft beispielsweise 300 EUR im Jahr wert ist, wenn ich damit kein Problem (egal wie oft) mehr oder wenigstens ein Kleineres haben werde.

      Der springenden Punkt dabei ist, dass ein Dienstleister eben eine Entlastung sein kann (und sollte). Ich kann natürlich vieles selbst tun (bspw. tapezieren), aber ich muss das nicht, wenn ich nicht bereit bin, den passenden Aufwand zu investieren.

      Ich glaube wir sollten häufiger darüber nachdenken andere Menschen einzusetzen, gerade dann, wenn wir unter Stress, Ärger und Überlastung leiden (was ja heute Mainstream-Themen geworden sind). Nicht alles können und müssen wir im Alleingang machen. Ja das kostet einen Preis (meistens in Euro) und ja auch das hat gelegentlich ein paar Nachteile (wie angemerkt das Hinterfragen/Kontrollieren/Überwachung). Wenn aber die Nachteile (bspw. Geld + Mühe) die Vorteile (bspw. mehr Freizeit, weniger Stress) subjektiv deutlich unterschreiten – dann nichts wie her mit dem Dienstleister 😉

  • Wenn man sich einen „Haus- und Hof“-Anwalt zulegt, hat man auch nur noch einen Ansprechpartner für alles Rechtliche. Ich habe aber so jemanden auch noch nicht, vermutlich streithansele ich zu wenig. 😉

    Ansonsten geb ich dir recht – ich habe vor kurzem endlich, endlich, endlich – ENDLICH! – jemanden gefunden, der mein Backoffice macht, Termine vorschlagen, bestätigen, verschieben etc. Und Rechnungen schreiben. Genial, ich fühle mich sooo entlastet! Es hat aber einige Anläufe gebraucht, so jemanden zu finden.

  • Ja mir fehlt auch ein guter Allround-Anwalt im Bekanntenkreis 😉 Notwendigerweise zoffe ich mich ja alle paar Jahre mal, da wäre es schon schön ein bekanntes Gesicht zu sehen.

    Glückwunsch zu deinem Erfolg! Hoffentlich fällt die Entlastung so aus, wie du dir das vorstellst!

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