Praxiseinsatz Organisation

Anfang Oktober 2011 hat es mich auch erwischt.

Besser gesagt nicht mich, sondern mein Auto. Auf der Autobahn von einem explodierten LKW-Reifen abgeschossen.

In den zwei Wochen danach hat meine gute Organisation zu einem ziemlich reibungslosen Ablauf aller notwendigen Schritte beigetragen.

Ausgangslage

Car crash von roolrool bei Flickr

Car crash von roolrool bei Flickr

Nach einem Unfall mit fremd verschuldetem Totalschaden kommen auf den Geschädigten viele Aufgaben zu, die alle dringend und wichtig sind:

  • Dringend: Es sind vorgegebene Termine einzuhalten, das Meiste muss innerhalb von 14 Kalendertagen erledigt sein.
  • Wichtig: Fehler und Versäumnisse beim Vorgehen können zum einen sehr teuer werden und zum anderen langfristigen Schaden verursachen.

Man könnte also sagen, dass in einem kurzen Moment die bestehende Aufgabenliste explodiert und jede bis dahin vorgenommene Planung umgeschmissen werden muss. Der Super-GAU des Zeitmanagements.

Einzelheiten

Im Einzelnen waren grob folgende Dinge zu erledigen:

  • Schadensgutachten beauftragen und auswerten.
  • Die gegnerische Versicherung informieren bzw. mit den notwendigen Unterlagen versorgen, damit eine möglichst schnelle Abwicklung erfolgen kann.
  • Gespräche über neuen Wagen führen und Geschäft abschließen mit garantiertem Liefertermin zum Ende der maximal erlaubten Mietzeit des Leihwagens (14 Tage).
  • Bisherige Finanzierung bei der Bank ablösen und neue Finanzierung beantragen. Hier ist gutes Timing entscheidend, da die Bank einer neuen Finanzierung erst zustimmt, wenn die bisherige vollständig abgelöst ist. Und der Autohändler den neuen Wagen erst herausgeben kann, wenn er bezahlt ist.
  • Restwagen innerhalb von 14 Tagen verkaufen, da anschließend Standgebühren für den Schrott anfallen. Besser ist der Verkauf innerhalb von wenigen Tagen nach Freigabe durch die Versicherung (Vorbehalt eines eigenen Sachverständigen!), damit dann die bestehende Finanzierung komplett abgelöst werden kann, wenn der Restwert und die Schadenssumme den Ablösebetrag erreichen, und eine neue Finanzierung möglich wird. Ebenfalls ein Timingproblem.
  • Neue Versicherung für neuen Wagen besorgen. Im Prinzip eine Kleinigkeit, aber die Prämien unterscheiden sich gravierend, entsprechend viele Angebote und Bedingungen sind zu prüfen. Ein Makler kann helfen.

Die meisten dieser „Projekte“ müssen parallel vorangetrieben werden, die treibende Rolle muss von mir selbst übernommen werden.

Ich hatte zugegebenermaßen ein wenig Glück: Der Verursacher hat den Schaden umgehend seiner Versicherung gemeldet und diese Versicherung hat sofort Zahlungsbereitschaft signalisiert. Meine erste Auskunft von der gegnerischen Versicherung war damit eine große Erleichterung: „Wir zahlen, schicken Sie uns das Gutachten und wir rechnen ab“.

Vielfalt

Journal von curtfleenor bei Flickr

Journal von curtfleenor bei Flickr

Jeder Schritt, der hier unternommen wird, muss nachvollziehbar festgehalten werden. Ich habe eine Art Tagebuch geführt. Dort befanden sich immer alle notwendigen Informationen (Ansprechpartner, Telefonnummern, Kennzeichen, Gutachten, Notizen, Angebote, Policen und so weiter), die ich jederzeit bei mir haben musste, da die Dinge oft tagsüber während normaler Arbeitszeiten erledigt werden müssen.

Außerdem kann man sich keinen „freien“ Tag leisten, da die vorgegebenen Fristen sehr eng gesetzt sind: 14 Tage wäre alleine für ein Neuwagengeschäft schon sehr sportlich, für alles zusammen eigentlich ein unmöglich knapper Zeitraum. Man muss ständig allen hinterherlaufen – selbst dann, wenn eigentlich alle kooperativ sind und sich Mühe geben. Denn das Überschreiten der Fristen bedeutet einen erheblichen finanziellen Schaden.

Oh. Und so ganz „nebenbei“ musste/wollte ich natürlich auch meinen normalen beruflichen Verpflichtungen nachkommen. Einen halben Tag Kulanz von den Kollegen zu bekommen ist keine große Sache, da spielt Menschlichkeit doch noch eine Rolle. Aber mehrere Tage sind nicht akzeptabel. Das heißt, dass das reguläre Arbeitspensum und die zusätzlichen Belastungen bewältigt werden müssen.

Meine gut funktionierende (wenig Verwaltungsaufwand, vertrauenswürdig, zuverlässig) Selbstorganisation hat mir in diesem Fall wirklich geholfen. Ich habe nichts vergessen, keine Frist versäumt, keinen Tag durch eigenes Verschulden verzögert und alle am Procedere Beteiligten Personen, Unternehmen und Informationen gemanagt.

Instrumente

Im Einzelnen habe ich mit folgenden Instrumenten gearbeitet:

  • Mein NAP-Buch (das kann auch ein Filofax-Ringbuch, ein Notizbuch, ein X47 oder ein beliebiges Zeitplanbuch sein): Das Journal aller Gespräche, die Ansprechpartner und Telefonnummern und alle sonstigen wichtigen Informationen.
  • Eine funktionierende alphabetische Mappenablage: Jeweils eigene Mappen für die Verträge des Unfallwagens (Kaufvertrag, Finanzierung, Versicherung), Verträge und Unterlagen für den neuen Wagen (Prospekte, Angebote, später dann auch Versicherungen, Kaufvertrag, Finanzierung) und Unterlagen zum Unfall (Unfallmeldung der Polizei, Notizen).
  • Ein einfaches Document-Management-System mit Stichwort-Index für elektronische Dokumente: Gutachten (lag als PDF-Datei vor), Vertragsangebote und E-Mail-Korrespondenz mit Gutachter, Makler, Autohaus und Versicherung.
  • Smartphone für Terminerinnerungen: Es gab sehr wenig fixe Termine, das meisten waren Aufgaben, die im NAP geführt wurden.

Dabei war das wesentliche Instrument mein NAP bzw. wäre mein Filofax oder Zeitplanbuch gewesen. Dort liefen alle Fäden zusammen, ich hatte genau eine Stelle, wo ich nach Tätigkeiten suchen musste. Ich habe hier teilweise auch Informationen gedoppelt, weil ich beispielsweise Vertragsnummern von den in den Mappen abgelegten Versicherungen immer dabei haben wollte.

Methoden

Bewusst habe ich keine Methode wirklich angewandt. Denn offenbar waren wichtige Gewohnheiten bereits verankert:

Ständiges Mitführen des Planungsinstruments: Jederzeit konnte ich so den Stand der Dinge übersehen, neue Entscheidungen treffen oder Dinge erledigen.

Klare Prioritätensetzung, Nein-Sagen: Alles, was nicht wichtig ist, ist liegengeblieben. Dringende Dinge nur so weit es niemanden gab, der das für mich übernehmen konnte. Klare Kommunikation über das, was möglich ist und das was nicht möglich ist.

Delegieren mit entsprechendem Nachhalten von Zwischenständen: Wenn andere Personen mit Dingen beauftragt werden konnten, habe ich das getan. Leider musste ich wegen der engen Zeitvorgaben auch deutlicher als gewünscht kontrollieren und nachhalten.

Ordnung und Übersicht halten: Alle Unterlagen waren zum richtigen Zeitpunkt verfügbar und in der richtigen Ablage.

Vernünftige Mischung aus Arbeit und Freizeit: Sowohl das Unfalltrauma selbst als auch den darauf folgenden Stress habe ich gut überstanden, da ich trotz allem jeden Abend in Ruhe spazieren gegangen bin oder einen anderen Ausgleich gefunden habe.

Lessons learned

TEACHER PYRAMID von Photographic.Memories bei Flickr

TEACHER PYRAMID von Photographic.Memories bei Flickr

Obwohl alles so reibungslos gelaufen ist, habe ich für mich aus dieser Phase natürlich auch Dinge mitgenommen, die ich in Zukunft anders angehen werde.

  1. So werde ich das Smartphone für Termine komplett abstellen und mir in mein NAP hinten Monatsübersichten einzeichnen. Denn es kam mehr als einmal vor, dass ich einen Termin nicht vernünftig vereinbaren konnte, weil ich meinen Kalender am Ohr hatte.
  2. Des Weiteren habe ich gesehen, wie erfolgreich meine Mappenablage in Kombination mit einer selbstentwickelten Software, die in diesem Fall als Suchindex gute Dienste geleistet hat, funktioniert hat. Deshalb habe ich alle noch übrigen Ordner mit Unterlagen in der Zeit danach in die Mappenablage übernommen.

Im Prinzip ist nur Punkt (1) wirklich etwas, was ich nach der Krisensituation ändern möchte. Punkt (2) wird nur vorgezogen, um möglichst schnell die Vorteile nutzen zu können.

Fazit

Selbstmanagement, Organisation, Zeitplanbücher, Notizhefte, Methoden – all diese Dinge sind mehr oder weniger erst einmal nur Theorie und wir fragen uns alle immer wieder mal, ob wir die Fähigkeiten wirklich brauchen oder ob wir nicht einfach „Stress rausnehmen“ sollten.

Natürlich wäre es wünschenswert, wenn wir völlig selbstbestimmt einfach zu den meisten Dingen „Nein“ sagen würden. Dann bleibt nicht mehr viel was organisiert werden müsste.

Aber dann passiert eben genau so etwas wie oben beschrieben und plötzlich haben wir keine Wahl mehr. Dann sind wir froh, wenn wir uns manchmal über Monate mit diesen Themen gequält haben. Dann merken wir, wie wichtig es ist, dass wir im Fall der Fälle die nötige Sicherheit haben, alle Instrumente so einzusetzen, wie das für ein effizientes Vorgehen notwendig ist:

  • Ein einsatzfähiges Organisationsinstrument, dass wir täglich nutzen und dem wir „vertrauen“.
  • Eine funktionierende Ablage.
  • Minimaler Verwaltungsaufwand, um in zeitkritischen Situationen schnell reagieren zu können.

 

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